Ein Kommentar von Wolf Thieme
Mitglied des Ortvereinsvorstand der SPD Bad Belzig
Das Thema Bürgerräte gewinnt derzeit mächtig an Fahrt, der Parteitag der GRÜNEN hat ihre Einführung beschlosssen und auch durch die Empfehlung Wolfgang Schäubles, Präsident des Deutschen Bundestages. Man glaubt damit den politikverdrossenen Bürger für die Mitarbeit an der parlamentarischen Demokratie gewinnen zu können. Ach ja?
„Kommunales Open Government“ ist anscheinend das Gebot derStunde. Bürger sollen „sich gehört und ernst genommen fühlen“, schreibt das Bad Belzig Journal. Waren sie das bisher nicht? Bad Belzigs Bürger können ihre Stimme in den Ortsbeiräten erheben und die Einwohnerfragestunden in den Stadtverordnetenversammlungen nutzen. Sie können Parteien, Senioren- und Integrationsbeirätenbeitreten, an ihre Zeitung und an ihren Bürgermeister schreiben. Sie sind nicht sprachlos.
Nun auch „Labore für mehr Transparenz und Beteiligung“ oder „digitale Werkzeugkästen“. Wenn die vermeintliche „Einbahnstraßen-Kommunikation zwischen Rathaus und Bürgern“ (Bad Belzig Journal) damit aufhört, dann bitte gern.
Ich meine: das kommunale System, hier die Stadtverordneten, dort die Stadtverwaltung und ihr Bürgermeister, funktioniert. Das geht nicht ohne Streit ab und das ist in einer Demokratie auch gut so. Ein Bürgerrat für Bad Belzig, zusammengesetzt aus gelosten Bürgern der Region, wird kommen. Er soll, so ist es gedacht, die kommunale Politikergänzen. Wir werden sehen, welche neuen Ideen er einbringt, die den Stadtverordneten und der Stadtverwaltung bisher nicht eingefallen sind, sobald er sich konstituiert hat.
Die Umgestaltung des Bad Belziger Marktplatzes zur Grünfläche unter Beibehaltung der Markttage, aber ohne Parkplätze? Da gehen schon jetzt die Meinungen auseinander. Die Straßenführung in der Bad Belziger Innenstadt? Die Konsumgutscheine? Ebenso. Angenommen, der Bürgerrat kommt zu einer Empfehlung und legt sie den Stadtverordneten vor. Was, wenn die Empfehlung dort durchfällt? Das Interesse der Bürger an einem machtlosen Bürgerrat wird dann bald nachlassen. Oder aber: Stadtverordnete und Stadtverwaltung müssten die Empfehlung zwingend berücksichtigen. Dann triumphiert der Bürgerrat, aber das kommunale System ist als Entscheidungsträger ausgehebelt.
Mit Bürgerräten werde eine „emanzipatorische Erweiterung unsererrepräsentativen Demokratie erreicht“, schrieb der Berliner„Tagesspiegel“. Es darf gezweifelt werden.
Der Journalist Wolf Thieme, 83, lebt im Bad Belziger Ortsteil Werbig und ist mitlgied des SPD Ortsvereinsvorstand.