Die Geschichte der SPD Bad Belzig

Die friedliche Revolution und der Fall der Mauer leiteten die Geburt der SPD in der DDR ein. Am 7. November 1989 war die SDP, wie sie damals noch hieß, in einem Pfarrhaus in Schwante gegründet worden. In der Folge entstanden im ganzen Land Ortsvereine, so auch im Belzig dieses geschichtsträchtigen Jahres 1989.

Der formellen Gründung gingen zwei prägende Veranstaltungen voraus.

Es begann am 2. November mit einem Informationsabend auf Einladung des Lütter Pfarrers Edgar Meißner in der Kirche in Lütte im Beisein des Berliner Theologen Martin Gutzeit, einem der Mitbegründer der SDP in der DDR.

Die Kirche dürfte mit etwa 300 – 400 Menschen völlig überfüllt gewesen sein. In den hinteren Bänken saßen der Bürgermeister und die Stasi. „Krakeeler versuchten Unruhe zu stiften. Vor dem Dorf war Polizei aufgefahren,“ schildert Edgar Meißner das Ambiente (Siehe: Bernd Blumrich und Jürgen Stich: Mittelmärkischer Bilderbogen 2009, S.62.).

Zwei Tage später kamen dann sogar 3000 Teilnehmer zu einer großen Protestkundgebung im Belziger Fläminggarten zusammen.

Foto: Assenmacher, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Edgar Meißner vor der Lütter Kirche (Foto: Gustav Horn)

 

Am Abend des historischen 9.November 1989 fand in der erneut übervollen Kirche wieder eine Veranstaltung diesmal mit knapp 200 Teilnehmern statt.

Der damals noch in Belzig lebende Günter Baaske, der die Versammlung moderierte, hatte eine Resolution gegen die Stasi vorbereitet, die beschlossen und von 162 Teilnehmenden unterschrieben wurde.

Thema war die Verfassung der DDR und insbesondere deren unter damaligen Umständen hoch brisante Artikel über Versammlungs- und Pressefreiheit.

Günter Baaske (Foto: www.guenter-baaske.de)

Vor der Kulisse der sich im 80 km entfernten Berlin versammelnden Menschenflut, die die Mauer unterspülte und damit öffnete, nahm der Abend einen dramatischen Verlauf.

Gegen 20.30 Uhr kam eine Frau aus Dippmansdorf in die Kirche und erzählte aufgeregt, dass jetzt die Mauer offen wäre. Das glaubte dort zunächst niemand. Moderator Baaske bat sie, sich hinzusetzen und sich zu beruhigen. Erst nach der Versammlung, als er bei Pfarrer Meißner vorm Fernseher saß, bestätigte sich das Unglaubliche.

Baaske wartete noch bis Stasi und Volkspolizei, die den Ort und die Kirche auf der Suche nach den Unterzeichnern erneut umstellt hatten, abgezogen waren und ging nach Hause.

Die Zeit der Einschüchterungen ging auch in Belzig und Umgebung unweigerlich ihrem Ende entgegen.

Pfarrer Meißner und andere Mitglieder der Bürgerbewegung  besuchten in der Folgezeit in Nacht- und Nebelaktionen die Stasi Schule in Struvenberg sowie das Lager der Bereitschaftspolizei in Verlorenwasser, um zu verhindern, dass Stasi Akten verbrannt  würden. 

Am 9. Dezember, einem Monat nach dem Fall der Mauer, wurde dann im Pfarrhaus zu Lütte mit Edgar Meissner als Gastgeber der hiesige Ortsverein der SDP durch 9 Personen gegründet, darunter Edgar Meissner, Günter Baaske, Pfarrer Rudolf Günther und Gerald Sommer.

Im Februar 1990 benannte sich die SDP dann nach dem westdeutschen Vorbild in SPD um. Der Gründungsparteitag für den Altkreis Belzig (Belzig, Niemegk, Brück) fand mit 38 Teilnehmern im Belziger Fläming – Garten unter Leitung von Edgar Meißner statt.


Für den Vorsitz der SPD kandidierte ursprünglich als einziger Dr. Scheerer, der damalige Leiter der Rehaklinik. Um Demokratie einzuüben, wurde direkt vor der Wahl ein weiterer Kandidat gesucht, und Lothar Koch aus Brück stellte sich zur Verfügung.

Wider Erwarten wurde Lothar Koch gewählt, wohl auch, weil eine große Anzahl von Gründungsmitgliedern aus Brück stammte.

Zum Vorstand gehörten Günter Baaske als 2. Vorsitzender sowie Edgar Meißner als Kassierer.
Dr. Scheerer legte Einspruch gegen die Wahl ein, da Koch in seinem Lebenslauf geschummelt hätte. Der Einspruch wurde von der Schiedskommission abgelehnt.

Edgar Meißner vor der Lütter Kirche (Foto: Gustav Horn)

Da keines der Mitglieder politische Erfahrung hatte, holte man sich im Februar/März 1990 Unterstützung und Rat u. A. bei der SPD in Mühlheim/Ruhr und der SPD im Berliner Bezirk Charlottenburg. Schließlich hatte die SDP in ihren Anfängen noch mit vielfachen organisatorischen Schwierigkeiten zu kämpfen. Daher war Günter Baaske sehr glücklich, als er anläßlich eines Besuchs eines Copy Shops im Westen Berlins einen Computer nebst Drucker geschenkt bekam, der sich fortan für die Parteiarbeit als sehr nützlich erweisen sollte. 

Im März 1990 fanden parallel zur Volkskammerwahl auch die Kommunalwahlen statt. Lothar Koch wurde zum ersten Landrat des Kreises Belzig gewählt, Dezernenten wurden u. A. Gertrud Meißner (für das Neue Forum), Günter Baaske und Manfred Klenke. 

„Die Mitglieder der SDP und  später der SPD  setzten sich Im Kern aus Mitgliedern des Neuen Forums zusammen, das einer der wesentlichen Treiber in der Bürgerrechtsbewegung der DDR war. Schon Ende November war auf Initiative von des damaligen Ministerpräsidenten Hans Modrow (SED) nach dem Vorbild in Polen ein Runder Tisch (RT) begründet worden. Teilnehmen konnten allerdings nur Organisationen, keine Einzelpersonen. Anfänglich waren am RT neben SDP, Neuem Forum oder Demokratie Jetzt auch Organisationen wie der Konsum, Frauenbund oder Feuerwehr vertreten. Die Altkader wollten das Heft nicht aus der Hand geben. Bis zur Volkskammerwahl im März 90 war Superintendent Alfred Scherge der Leiter des RT. 

Die Gründungsrunde in Lütte wollte verstärkt politisch gestalten, weshalb sie sich als Partei und nicht weiter als Bewegung organisieren wollten. Die westdeutsche SPD und die Ostpolitik des früheren Bundeskanzlers Willy Brandt, der 1989 noch lebte und Mitglied des Bundestages war, war das politische Vorbild für Edgar Meissner, Günter Baaske, Werner Sperfeld, Martin Kunze und Karin Straubel, die zu den ersten Mitgliedern gehörten. 

Das Ziel der SPD in Belzig, wie in der gesamten  DDR, war, die DDR von Grund auf neu zu gestalten. Sie wollten eine andere DDR, nicht aber die schnelle Vereinigung mit der Bundesrepublik, was ihre reformerischen Gestaltungsmöglichkeiten einschränken würde. Die Volkskammerwahl im März 1990 setzte diesem Vorgehen jedoch ein jähes Ende. Seither war klar, dass die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung der DDR einen schnellen Beitritt zum Bundesgebiet wünschte, und dieser wurde dann am 3.Oktober 1990 vollzogen. Zuvor, am 26.September 1990, hatte sich die SPD der DDR mit der SPD der Bundesrepublik vereinigt.

Zu Beginn der politischen Tätigkeit der SPD in Belzig stand nicht das Thema Arbeitsplätze im Vordergrund, sondern eher praktische wirtschaftliche Fragen. Dies lag wohl auch daran, dass viele der Mitglieder Geschäftsleute und Handwerker waren. Sie waren vor allem daran interessiert zu lernen, wie ihre Geschäftstätigkeit unter den neuen Bedingungen funktionieren könnte. Erst mit dem dramatischen Anstieg der Arbeitslosigkeit nach der Währungsunion im Juli 1990, gewann das Thema Beschäftigung hohe Brisanz. 

Aufgezeichnet von Rainer Bätz und Gustav A. Horn auf der Basis von Aussagen der Zeitzeugen Edgar Meißner und Günter Baaske sowie auf dem Buch von Bernd Blumrich und Jürgen Stich: „Mittelmärkischer Bilderbogen 2009“. 

Erinnerungen nach so langer Zeit sind jedoch immer schwierig. Deshalb wollen wir sie von möglichst vielen einsammeln. Wer also Ergänzungen und Änderungsvorschläge hat, kann diese über unsere Mailadresse   Geschichte@spd-belzig.de an uns senden